Das Kernkraftwerk Flamanville besteht aus zwei in Betrieb befindlichen Druckwasserreaktoren mit einer Nettoleistung von jeweils 1330MW[1] und einem seit Dezember 2007 in Bau befindlichen Reaktor des Typs Europäischer Druckwasserreaktor (EPR). Es befindet sich am Fuße eines 70 Meter hohen granitartigen Felsens an der Westküste der französischen Halbinsel Cotentin am Ärmelkanal bei Flamanville.
Kernkraftwerk Flamanville
Kernkraftwerk Flamanville bei Nacht Kernkraftwerk Flamanville bei Nacht
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.
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Das Kernkraftwerk wird von Électricité de France (EDF) betrieben und beschäftigt etwa 700 Personen. Es hat keine Kühltürme und wird mit Wasser aus dem Ärmelkanal gekühlt. Es speist jährlich durchschnittlich 18 Milliarden Kilowattstunden in das öffentliche Stromnetz über das Umspannwerk von L’Étang-Bertrand ein; dies entspricht dem jährlichen Strombedarf der Regionen Basse-Normandie und Bretagne, beziehungsweise ungefähr drei Prozent des französischen Bedarfs an elektrischer Energie, damit zählt das Kernkraftwerk zu den mittelgroßen in Frankreich.
Geschichte
Sprengung des untermeerischen Bergwerks (1978)Baufortschritt des Kraftwerks im Jahr 1980
Baubeginn für den ersten Reaktorblock war am 1.Dezember 1979, er ging am 4.Dezember 1985 in Betrieb. Für den Bau des Kernkraftwerks wurden eine hohe Klippe und eine unter dem Meer liegende Eisenerz-Lagerstätte gesprengt. Der zweite Reaktorblock wurde ab dem 1.Mai 1980 gebaut und am 18.Juli 1986 in Betrieb genommen.[1]
Die französische Regierung hat 2020 eine Verlängerung für alle in Betrieb befindliche Reaktoren um weitere 10 Jahre von 40 auf 50 Jahre Laufzeit angekündigt. Diese wurde von der französischen Aufsicht 2021 genehmigt unter Auflagen.[2]
Neubau Block 3
Blöcke 1 und 2 sowie im Bau befindlicher Block 3 (2010)
Am 21. Oktober 2004 gab EDF bekannt, am Standort Flamanville einen Europäischen Druckwasserreaktor der dritten Generation (EPR) errichten zu wollen. Dieser EPR war seit 1992 von Siemens und Framatome entwickelt worden, die 2001 zur Areva S.A. fusionierten. Der EPR solle als zweiter seiner Bauart nach dem finnischen Reaktor III im Kernkraftwerk Olkiluoto (seit 12. August 2005 in Bau) in Betrieb genommen werden und eine Nettoleistung von 1600MW haben. Der Baubeginn war am 3. Dezember 2007, EDF prognostizierte ursprünglich eine Fertigstellung 2012 und Baukosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro.
Im Antrag der EDF von Oktober 2015 zum Weiterbau in Flamanville wurden die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Fessenheim zum Tausch für die EPR-Inbetriebnahme als stillzulegend genannt.[3]
Probleme beim Bau und Steigerung der Kosten
Ende 2008 erklärte Areva, die Bauzeit verzögere sich bis 2013 und die Baukosten würden 4 Milliarden Euro betragen.[4]
In der Bilanz für das 1. Halbjahr 2010 schrieb EDF, der kommerzielle Betrieb werde für 2014 erwartet; die Kosten würden „ungefähr 5 Milliarden Euro“ betragen.[5]
Im Juli 2011 schätzte EDF die Kosten auf 6 Milliarden Euro und die Inbetriebnahme auf 2016.[6]
Ende Januar 2012 legte der Oberste Rechnungshof in Frankreich eine umfangreiche Studie zu den Kosten der Kernenergie vor:[7]
„Die Bau- und Planungskosten (79.751 Mio. € (für 2010)), heruntergerechnet auf die Reaktorleistung, stiegen mit der Zeit von 1,07 Mio. €/MW im Jahr 1978 (Fessenheim) auf 2,06 Mio. €/MW im Jahr 2000 (Chooz 1 und 2) bzw. auf 1,37 Mio. €/MW im Jahr 2002 (Civaux) bei einem Durchschnitt von 1,25 Mio. €/MW für die 58 Reaktoren. Diese Erhöhung steht vor allem mit den immer höheren Sicherheitsanforderungen in Zusammenhang.
Auch wenn ein genauer Vergleich nicht möglich ist, da die abschließenden Gesamtkosten eines EPR unbekannt sind, konnte der französische Rechnungshof feststellen, dass die Baukosten im Verhältnis zur Leistung in MW mit dieser neuen Generation, die von Anfang an umfangreiche Sicherheitsauflagen erfüllen musste, weiter gestiegen sind. Bei geschätzten Baukosten von 6 Mrd. € für den EPR Flamanville (erster Reaktor der Baureihe) und einer Leistung von 1630MW betragen die Kosten pro MW 3,7 Mio. €.“[8]
Anfang Dezember 2012 gab der italienische Konzern Enel EDF seinen 12,5-%-Anteil am EPR zurück, verlangte rund 613 Millionen Euro an Investitionen zurück und äußerte, der Reaktor werde wegen der hohen Investitionskosten nie wirtschaftlich sein. Kolportiert wurden Ende 2012 Stromgestehungskosten von circa 7–10ct/kWh über die gesamte Betriebsdauer,[9] der Finanznachrichtendienst Bloomberg L.P. vermutete 7,2ct/kWh.[10]
Im Dezember 2012 gab EDF bekannt, die Baukosten des EPR seien auf 8,5 Milliarden Euro gestiegen.[11]
Im November 2014 gab Areva bekannt, der EPR werde voraussichtlich 2017 in Betrieb gehen.[12][13]
Im April 2015 gab die Atomsicherheitsbehörde ASN bekannt, dass Areva über Anomalien im Stahl in bestimmten Bereichen des neuen Reaktordruckbehälters– im Boden und im Deckel– informierte.[14] Die französische Umweltministerin Ségolène Royal forderte den Hersteller Areva auf, Konsequenzen aus dem Problem zu ziehen.[15] ASN solle bis Oktober 2015 eine Studie zur Schwere der Materialfehler vorlegen.[16] Laut Pierre-Franck Chevet, dem Vorsitzenden der ASN, seien die Anomalien „sehr ernst“. Sie könnten zur Rissen führen. Sollten genauere Untersuchungen dies bestätigen, bestünde nur die Möglichkeit des Tauschs des gesamten Druckbehälters mit langjährigen Verzögerungen und noch höheren Kosten oder die Aufgabe des Kraftwerksprojektes. Neben Flamanville, dessen Kosten 2015 auf 9 Mrd. Euro beziffert wurden,[17] könne das Problem fünf weitere in Bau befindliche EPRs betreffen.[18] Im Juli 2015 wurde bekannt, dass der Stahl des Druckgefäßes, das später die Kernspaltung umschließen soll, nicht die erforderliche Festigkeit aufweise. Deshalb ordnete die französische Atomaufsicht ASN einen neuen Test an, bei denen ein baugleicher Reaktordeckel, der bisher für das geplante Kernkraftwerk Hinkley Point vorgesehen war, zerstört werden müsse.[19]
Im Juni 2015 wurden Funktionsschwierigkeiten bei Sicherheitsventilen bekannt.[20]
Im August 2015 gab EDF eine Kostensteigerung auf 10,5 Milliarden Euro bekannt. Strom werde nicht vor 2018 geliefert;[21] Im September 2015 verschob EDF den Termin erneut auf Ende 2018.
Im Juni 2017 teilte die ASN mit, der Druckbehälter genüge trotz seiner Schwachstellen den Sicherheitsanforderungen– bei geringerem Sicherheitsspielraum. Dies erfordere regelmäßige Prüfungen am Druckbehälter-Boden und den Tausch des Reaktordeckels im Jahre 2024.[22]
Im April 2018 teilte EDF mit, die im Februar berichteten Schweißnaht-Probleme seien schlimmer als erwartet. Im Laufe der Überprüfungen und der Lizenzierung durch die ASN werde EDF die Änderungen des Zeit- und Kostenrahmens mitteilen.[23]
Im Juli 2018 wurde die Beladung mit Brennstäben auf Ende 2019 festgesetzt. Die Kostenschätzung lag nunmehr bei 10,9 Milliarden Euro.[24] Die Stromgestehungskosten werden mit Stand 2019 auf mehr als 10 ct/kWh taxiert.[25]
Im Juni 2019 gab EDF bekannt, Schweißnaht-Reparaturen verlängern die Bauarbeiten bis Ende 2022.[26] Die Baukostenschätzung lag nun bei 12,4 Mrd. Euro. Die Inbetriebnahme wurde nun für 2023 erwartet.[27] Damit ginge das Kraftwerk 11 Jahre später in Betrieb als geplant– zu Kosten nahe dem Vierfachen der anfänglichen Planung.
Im März 2020 ersetzten Premierminister Edouard Philippe und Umweltministerin Elisabeth Borne laut der Satirezeitung Canard Enchaîné im Text des „Dekret 2007-534 vom 10. April 2007“ eine 13 durch 17, was sich auf die Frist in Jahren bis zur erstmaligen Beladung mit Kernbrennstoffen bezog. Beobachtern zufolge sei dies ein administrativer Trick, um den Bau fortzuführen, da das Dekret aus dem Jahre 2007 auszulaufen drohte. Verbände um Greenpeace und France Nature Environnement kündigten nach fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfungen Klagen an.[28]
Im Juli 2020 wurde ein Bericht publik, wonach sich die bis dato bekannten Gesamtkosten des Projektes von den bisher kommunizierten 12,4 Mrd. Euro um weitere 6,7 Mrd. auf dann ca. 19,1 Mrd. Euro erhöhen sollen. Rund zwei Drittel davon sind auf Zinszahlungen während der Bauzeit zurückzuführen, hinzu kommen Ausgaben zur Vorbereitung der Inbetriebnahme wie die Beschaffung von Ersatzteilen und Kernbrennstoff.[29] Dieser Bericht des französischen Rechnungshofes zum EPR schätzte die Gestehungskosten für elektrische Energie bei Block 3 des KKW Flamanville auf 11 ct/kWh (110 €/MWh) bis 12 ct/kWh (120 €/MWh).[30]
Im Januar 2022 wurde berichtet, dass die geplante Inbetriebnahme von Ende 2022 auf das zweite Quartal 2023 verschoben werde. Die Kosten würden um 0,3 Milliarden auf 12,7 Milliarden Euro steigen.[31][32][33]
Mitte Juli 2022 wurde öffentlich bekannt, dass ein Teil der installierten Reaktorsteuerung nicht funktioniert. EdF weiß seit 2019 von dem Problem.[34]
Sicherheit
Blöcke 1 und 2
Im Falle eines starken Erdbebens könnte es bei den bestehenden Blöcken zum Versagen der Notkühlung kommen. Einem Bericht der ASN im Oktober 2002 zufolge könnte die Funktionsfähigkeit eines sicherheitsrelevanten Ventils, das das Abkühlen der Reaktorblöcke gewährleisten soll, bei einem Erdbeben nicht sichergestellt werden.[35]
Vorfälle
Am 21. Januar 2002 kam es durch eine falsche Installation von Kondensatoren zu Fehlern im Kontrollsystem und an Sicherheitsventilen. Die Kosten des Zwischenfalls werden auf 119 Millionen US-Dollar geschätzt.[36]
Am 9. Oktober 2015 befand sich Block2 im Revisions-Stillstand. Der gesamte Reaktorkern war dabei vorübergehend ins Abklingbecken ausgelagert worden. Einer der Transformatoren der externen Stromversorgung befand sich gerade in Revision, als der andere seinen Dienst versagte. Um das Abklingbecken, das mit dem ausgelagerten Kern eine außergewöhnlich hohe Nachzerfallswärme entwickelte, ausreichend zu kühlen, musste ein Notstrom-Dieselgenerator zugeschaltet werden (sogenannter Notstromfall). Es dauerte einige Tage, bis der defekte Transformator repariert war.[37]
Am 9. Februar 2017 kam es um 9:30Uhr in einem nicht-nuklearen Bereich zu einer Explosion im Maschinenraum des Kernreaktors Flamanville 1.[38] Fünf Personen erlitten durch den Brand Rauchvergiftungen.[39] Laut EDF trat bei der Explosion keine Radioaktivität aus.[40] Das Feuer soll durch einen Kurzschluss an der Hülle eines Lüfters ausgebrochen sein.[38] Der Reaktor sollte vorerst bis zum 31. März 2017 vom Netz bleiben,[41] was später auf den 31. Mai verlängert wurde.[42]
Block 3
Der im Bau befindliche EPR soll unter anderem durch eine doppelte Außenhülle und einen Core-Catcher höchsten Sicherheitsansprüchen genügen. Bei letzterem soll ein Keramikbecken eine eventuelle Kernschmelze auffangen können. Areva schätzt bei diesem Reaktortyp die Unfallgefahr um das Zehnfache niedriger als bei älteren Generationen ein. Der EPR ist auf eine Niederdruck-Kernschmelze ausgelegt; eine Hochdruckkernschmelze wird durch manuelles Öffnen eines Ventils in eine Niederdruckkernschmelze überführt.
Daten der Reaktorblöcke
Das Kernkraftwerk Flamanville hat zwei in Betrieb befindliche Blöcke und einen in Bau befindlichen Block:
Die Kosten der Kernenergie.Zusammenfassung (PDF; 271kB, 24 Seiten), Langfassung (PDF, 441 Seiten), Glossar.In:ccomptes.fr.Januar 2012,archiviertvomOriginalam23.September 2015;abgerufen am 28.Juli 2021.
Die Kosten der Kernenergie.Zusammenfassung (PDF; 271kB, 24 Seiten), Langfassung (PDF, 441 Seiten), Glossar.In:ccomptes.fr.Januar 2012,S.8,archiviertvomOriginalam23.September 2015;abgerufen am 28.Juli 2021. Anmerkung: „€2010“ meint „Euro mit der Kaufkraft von 2010“
La Filière EPR.Rapport public thématique.In:Publications.Cours de comptes,9.Juli 2020,S.14,abgerufen am 24.Oktober 2021:„En l’absence de données produites par l’entreprise, la Cour a estimé, sur la base d’hypothèses exposées dans le rapport, que le coût de l’électricité produite par l’EPR de Flamanville pourrait se situer entre 110 et 120 €/MWh.“
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