Das Kernkraftwerk Isar (Abkürzung KKI), auch Kernkraftwerk Isar/Ohu liegt in Niederbayern, 14 Kilometer flussabwärts der Isar von Landshut,[4] auf dem Gebiet des Marktes Essenbach (Gemarkung Ohu). Auf dem Werksgelände des Kraftwerks befinden sich zwei bautechnisch völlig unterschiedliche Reaktoren (Block 1: Siedewasserreaktor, Block 2: Druckwasserreaktor). Seit März 2011 ist nur noch der Block 2 im Betrieb. Für Block 1 wurde der Rückbau beantragt und 2017 genehmigt.[5] Für Block 2 wurde der Rückbau beantragt.[6][7]
Kernkraftwerk Isar | ||
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Kernkraftwerk Isar | ||
Lage | ||
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Koordinaten | 48° 36′ 20″ N, 12° 17′ 35″ O48.60560555555612.29315 | |
Land | Deutschland Deutschland | |
Daten | ||
Eigentümer | Isar 1: PreussenElektra[1] Isar 2: 75 % PreussenElektra, 25 % SWM[1] | |
Betreiber | PreussenElektra | |
Projektbeginn | 1971 | |
Kommerzieller Betrieb | Isar 1: 21. März 1979 Isar 2: 9. April 1988 | |
Stilllegung | Isar 1: 2011[2]
Isar 2: 31. Dezember 2022 (aktuelle Rechtslage) | |
Aktive Reaktoren (Brutto) |
1 (1485 MW) | |
Stillgelegte Reaktoren (Brutto) |
1 (912 MW) | |
Eingespeiste Energie im Jahr 2018 | Isar 2: 11.477,22 GWh | |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme | Isar 1: 198.270 GWh Isar 2: 334.410 GWh | |
Website | PreussenElektra | |
Stand | 31. Dezember 2018 | |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |
Laut Atomgesetz (Deutschland) muss das Kraftwerk mit Ablauf des Jahres 2022 vom Netz gehen. In Anbetracht der Energiekrise soll Block 2 laut Bundeskanzler Olaf Scholz länger betrieben werden, bis April 2023. Hierzu müsste zunächst das Atomgesetz geändert werden.
Auf dem Gelände befand sich das Kernkraftwerk Niederaichbach, das inzwischen vollständig rückgebaut wurde.
Block 1 des Kernkraftwerks (Isar 1) gehört zu 100 % und Block 2 (Isar 2) zu 75 % der PreussenElektra GmbH. Ein 25-%-Anteil an Isar 2 gehört den Stadtwerken München.[1]
Am 1. Juli 2016 wurde E.ON Kernkraft in PreussenElektra umbenannt, als Folge der Aufspaltung des E.ON-Konzerns in eine neue Energiewelt und eine konventionelle Energiewelt.[8][9]
Block 1 ist nahezu baugleich mit drei anderen deutschen Kernkraftwerken, nämlich Kernkraftwerk Brunsbüttel (bei Hamburg), Kernkraftwerk Philippsburg Block 1 und Kernkraftwerk Krümmel, sowie mit dem österreichischen Kernkraftwerk Zwentendorf, das nach einer Volksabstimmung nie in Betrieb ging.[10]
Isar 1/Ohu wurde am 20. November 1977 zum ersten Mal kritisch. Der Block wurde am 3. Dezember 1977 zum ersten Mal mit dem Netz synchronisiert und am 21. März 1979 in Betrieb genommen.
Gemäß dem deutschen Atomkonsens vom Juni 2000 sollte das KKW bis 2011 stillgelegt werden. Die im Oktober 2010 beschlossene Novellierung des Atomgesetzes erlaubte jedoch eine Laufzeitverlängerung um acht Jahre; demnach wäre ein Betrieb also bis 2019 rechtlich zulässig gewesen. Gemäß Atom-Moratorium der Bundesregierung wurde das Kraftwerk am 17. März 2011 durch eine Anordnung des bayerischen Staatsministeriums für Umwelt nach § 19 AtG (Gefahr im Verzug) heruntergefahren. Nach der neuerlichen Novelle des Atomgesetzes, der der Bundesrat am 6. Juli 2011 zustimmte (Atomausstieg / Energiewende), blieb das Kraftwerk für immer vom Netz.
Die Landtagsfraktion der Grünen (Bayern) veröffentlichte 2009 ein Gutachten, das die Sicherheit von Isar 1 kritisch sieht.[11] Die CSU Landshut sowie die oberösterreichische Landesregierung forderten im Jahr 2010 in einer Resolution die Abschaltung von Isar 1.[12] Der Betreiber E.ON gab im September 2010 an, seit Inbetriebsetzung 800 Millionen Euro für Modernisierungsmaßnahmen investiert zu haben.[13] Nach dem Beginn der Nuklearkatastrophe von Fukushima wurde angekündigt, Block 1 am 15. März 2011 für Sicherheitsprüfungen vorübergehend herunterzufahren.[14] Am 16. März teilten die Betreiber mit, dass das Kraftwerk nicht abgeschaltet, sondern die Leistung auf 15 % der Volllast reduziert wurde.[15] Man hoffe, nach dem dreimonatigen Moratorium wieder den Normalbetrieb aufnehmen zu können.[16] Am 17. März ordnete das Bayerische Umweltministerium an, dass Isar 1 ganz herunterzufahren sei.[17] Am selben Tag um 16 Uhr wurde das Kernkraftwerk vom Netz genommen.[18] Nach dem Herunterfahren der Anlage am 17. März 2011 und der Abschaltung des Reaktors über elektrisches Einfahren der Steuerstäbe wurde über das Kriterium „zu niedriger Füllstand im Reaktordruckbehälter“ eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst. Der Vorfall hatte keine sicherheitstechnische Bedeutung und wurde am 22. März 2011 bekanntgegeben.[19] Ende Mai 2011 wurde von den Umweltministern der Länder und des Bundes beschlossen, den Block 1 dauerhaft stillzulegen.[20] Mit Beschluss der Bundesregierung vom 30. Juni 2011 verlor der Block 1 die Berechtigung zum Leistungsbetrieb.[21] Am 10. Mai 2012 wurde vom Betreiber E.ON der Rückbau des Kraftwerks beantragt.[22][23] Der Reaktor befindet sich in der sogenannten Nachbetriebsphase.[24]
Isar 2/Ohu besteht aus einem Druckwasserreaktor der Bauart Konvoi und wurde am 15. Januar 1988 zum ersten Mal kritisch. Der Block wurde am 22. Januar 1988 zum ersten Mal mit dem Netz synchronisiert und am 9. April 1988 in Betrieb genommen.
Der Block Isar 2 war in den Jahren 1994, 1999 bis 2004, 2006, 2011 und 2013 bezüglich der produzierten Gesamtenergiemenge der Kernkraftwerksblock mit der höchsten Jahresproduktion weltweit. Zwei Jahre nach Inbetriebnahme war Isar 2 der Block mit der weltweit fünftgrößten Jahresproduktion und seither, mit Ausnahme des Jahres 1992, stets unter den ersten fünf.[25]
Die Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke im Herbst 2010 sah die Abschaltung für 2034 vor. Entsprechend der neuen Beschlüsse der Regierungskoalition zum beschleunigten deutschen Atomausstieg nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima geht der Block früher vom Netz.[26][27] Das 2011 novellierte Atomgesetz legt fest, dass Isar 2 spätestens am 31. Dezember 2022 seine Betriebsgenehmigung verliert, also abgeschaltet werden muss (§ 7 Abs. 1a AtG). Eine frühere Abschaltung kann sich ergeben, wenn die Reststrommenge von 231,21 TWh ab 1. Januar 2000 erzeugt ist (Anlage 3 AtG) und keine Elektrizitätsmengen auf Isar 2 übertragen werden.
Block 2 überschritt 2018 als drittes Kernkraftwerk weltweit die 350-Milliarden-Kilowattstunden-Marke.[28] Laut Greenpeace erzeugt Atomstrom weniger CO2-Emissionen (31 Gramm CO2 je kWh) als der Mittelwert des deutschen Kraftwerksparks (620 Gramm CO2 je kWh).[29]
Da die gesetzliche Reststrommenge bis Mitte 2020 aufgebraucht gewesen wäre, verhandelten PreussenElektra und SWM mit Vattenfall und RWE Power über den Zukauf weiterer Strommengen aus den stillgelegten Kernkraftwerken Krümmel, Brunsbüttel und Mülheim-Kärlich.[30]
Im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine wurde öffentlich diskutiert, die Laufzeit zu verlängern, um so unabhängiger von russischen Gasimporten zu werden.[31] So forderte Markus Söder, die wegen des Ukrainekrieges stark gestiegenen Energiepreise und der drohenden Energiekrise, Isar 2 mindestens so lange zu betreiben, bis der Kernbrennstoff in den Brennelementen komplett genutzt ist, bis Mitte 2023.[32][33]
Bundeskanzler Olaf Scholz entschied im Oktober 2022 per Richtlinienkompetenz, das Kraftwerk länger zu betreiben, bis April 2023.[34] Eine diesbezüglich erforderliche Änderung des Atomgesetzes steht noch aus. Andernfalls muss das Kraftwerk mit Ablauf des Jahres 2022 vom Netz gehen.
Am 26. September 2022 informierte der Betreiber PreussenElektra auf seiner Website die Öffentlichkeit über eine „Druckhalterventilleckage“. Zur Absicherung eines Weiterbetriebs von Isar 2 (KKI 2) müsste ein Kurzstillstand durchgeführt werden, um unter anderem die innere Leckagen an Vorsteuerventilen der Druckhalter-Sicherheitsventile beheben zu können. Die Wartung sei nur möglich, wenn der Reaktor abgeschaltet und drucklos ist.[35]
Das Kernkraftwerk Isar hat insgesamt zwei Blöcke. Mit insgesamt etwa 19.051 GWh im Jahr 2007 erzeugte das Kraftwerk etwa drei Prozent der 2007 in Deutschland erzeugten elektrischen Energie. Auf dem Gelände befinden sich außerdem ein Informationszentrum, ein Standortzwischenlager und eine eigenständige Werkfeuerwehr. Block 2 ist mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1.485 MW der leistungsstärkste Kernreaktor Deutschlands.
In der Nähe von Block 1 des Kernkraftwerks liegt das Wasserkraftwerk Niederaichbach. Bei einem Ausfall der beiden Anbindungen an das Netz (380-kV und 110-kV-Ersatzversorgung) und des Generators eines der beiden Blöcke kann das Wasserkraftwerk vom Netz getrennt werden und über eine Direktverbindung als zusätzliche Notstromversorgung der beiden Kernkraftwerke dienen.[36]
Reaktorblock | Reaktordetails | Leistung [MW] | Baubeginn | Netz- synchronisation |
kommerzieller Betrieb |
Anmerkungen | |||
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Typ / Modell | Hersteller | netto | brutto | thermisch | |||||
Isar-1 (KKI 1)[37] | SWR-69 | Kraftwerk Union | 878 MWe | 912 MWe | 2575 MWt | 1. Mai 1972 | 3. Dez. 1977 | 21. März 1979 bis 17. März 2011 | |
Isar-2 (KKI 2)[38] | Konvoi | Kraftwerk Union | 1410 MWe | 1485 MWe | 3950 MWt | 15. Sep. 1982 | 22. Jan. 1988 | 9. Apr. 1988 | geplanter Betrieb bis 31. Dezember 2022[39] |
Block 1 ist mit einem Siedewasserreaktor der AEG-Baulinie '69 ausgestattet und besitzt eine elektrische Bruttoleistung von 912 MW und eine elektrische Nettoleistung von 878 MW. Die thermische Reaktorleistung beträgt 2.575 MW. Bis zur Stilllegung im Jahr 2011 speiste der Reaktorblock 198.270 GWh in das bayerische Netz ein. Durch den Wärmeaustausch am Turbinenkondensator (Frischwasserkühlung) wurde die Isar um maximal 2,5 Grad Celsius erwärmt. Eine weitere Kühlmöglichkeit waren Zellenkühler mit Zwangsbelüftung, die eingesetzt wurden, wenn die Wassertemperatur und/oder der Wasserstand der Isar nicht zur Kühlung ausreichten.
Im Block 1 wurden 592 Brennelemente mit je 91 bzw. 96 Brennstäben eingesetzt.[40]
Block 2 ist ein Druckwasserreaktor und besitzt eine elektrische Bruttoleistung von 1.485 MW und eine elektrische Nettoleistung von 1.410 MW. Isar 2 ist somit der leistungsstärkste deutsche Reaktor und derzeit zehntleistungsstärkster Reaktorblock der Welt.[41] Bei einer thermischen Reaktorleistung von 3.950 MW liegt der Wirkungsgrad damit bei etwa 35 %. Die Gesamterzeugung betrug seit Inbetriebnahme über 350.000 GWh (Stand: 17. September 2018). Zur Kühlung wurde ein Naturzug-Nasskühlturm mit einer Höhe von 165 m errichtet. Das Reaktorgebäude ist in Stahlbetonbauweise ausgeführt und hat eine Wandstärke von über einem Meter.
2016 betrug die Zeitverfügbarkeit ca. 96 Prozent. Die produzierte Strommenge betrug ca. 12.000 GWh, was etwa 12 Prozent der Stromerzeugung in Bayern entspricht.[27]
Im Januar 2017 wurden zuletzt 36 neue Brennelemente (29. Brennelementewechsel) im Block 2 getauscht.[27]
Stand 31. März 2016 kam es seit Inbetriebnahme zu 287 meldepflichtigen Ereignissen im Block 1 und 88 in Block 2.[42] Hierzu gehörten zum Beispiel:
Stand 1. Mai 2015 gab es seit Inbetriebnahme im KKI keine meldepflichtigen Ereignisse mit erhöhten Radioaktivitätsabgaben.[51]
Seit dem Jahr 2001 gab es folgende Weiterleitungsnachrichten der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) das KKI betreffend[52]:
Am 30. März 1988 stürzte nur 2 km vor dem Kraftwerkskomplex südöstlich von Ohu ein französisches Mirage-Kampfflugzeug in einen Wald.[54] Der Pilot kam dabei ums Leben und der Vorfall löste eine Diskussion über die Sicherheit von Kernkraftwerken bei Flugzeugabstürzen aus.
Ein Zwischenlager für abgebrannte Kernbrennelemente mit einer max. Kapazität von 152 Behältern mit einer Schwermetallmasse von 1.500 Tonnen ist am Standort im März 2007 in Betrieb gegangen.[55] Für das zweite Halbjahr 2016 war die Errichtung einer Sicherheitsmauer vorgesehen.[56]
2015 einigte sich die Bayerische Staatsregierung mit dem Bundesumweltministerium auf die Rücknahme von sieben Castorbehältern mit radioaktivem Abfall aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield, die im BELLA eingelagert werden sollen.[57] Der Antrag auf Zwischenlagerung wurde am 29. September 2017 vom Energieversorger gestellt. Ein Antrag auf Beförderungsgenehmigung liegt noch nicht vor.[58]
Gegen die Einlagerung der sieben Behälter regt sich Widerstand vor Ort. Der Bürgermeister der Gemeinde Niederaichbach hat am 25. Oktober 2018 eine Petition gegen die Einlagerung gestartet, die vom Landkreis Landshut unterstützt wird. Darin wird eine Einlagerung im Transportbehälterlager Gorleben gefordert.[59]
Für die Behandlung (Zerkleinerung, Dekontaminierung und Freimessung) der Abbruchmaterialien ist die Errichtung eines Reststoff-Bearbeitungszentrums im Maschinenhaus des KKI 1 vorgesehen.[60] Mehrere hundert Brennstäbe befanden sich im Abklingbecken.[61] 2020 konnten diese verpackt in Castor-Behältern ins BELLA verbracht werden. Der Block ist damit seit Oktober 2020 brennstofffrei.[62]
Die Stilllegung und der Abbau war von der PreussenElektra am 1. Mai 2012 beantragt worden.[60] Am 17. März 2014 begann das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung.[63] Am 22. Juli folgte in Essenbach ein Erörterungstermin zu den Einwendungen. Als Termin für den Beginn des Rückbaus wurde das Jahr 2016 angestrebt.[26][64]
Im Januar 2017 genehmigte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die Stilllegung und den Abbau. Von 28. Januar bis 10. Februar 2017 lagen die Genehmigungsunterlagen in den betroffenen Gemeinden zur Einsicht aus.[60] Der Rückbau wurde 2017 begonnen[65]; er soll etwa 15 Jahre dauern. Der Rückbau begann im Maschinenhaus. Von außen sichtbar wird er etwa ab 2030 mit dem konventionellen Rückbau.[60]
Gegen die Abrissgenehmigung hat der Bund Naturschutz geklagt. Am 11. Dezember 2018 wurde das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in München eröffnet.[65]
Es wird mit Kosten in Höhe von etwa einer Milliarde Euro gerechnet.[60]
Kritisiert wird der Beginn der Abrissarbeiten, solange noch Brennstäbe im Abklingbecken gelagert werden.[61] Ebenso gibt es Kritik an den Grenzwerten für die Abgabe von radioaktiven Stoffen an Luft und Wasser während des Rückbaus sowie an den Plänen des Betreibers zur Lagerung der radioaktiven Abfälle aus dem Rückbau in einer Bereitstellungshalle.[65][66]
In Betrieb: | ||
Außer Betrieb: |
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Nicht in Betrieb genommen: |