Das abgeschaltete Kernkraftwerk Biblis (KWB) befindet sich in der südhessischen Gemeinde Biblis nahe der Mündung der Weschnitz in den Rhein. Besitzer und ehemaliger Betreiber des Kernkraftwerkes ist die RWE Power AG.
Kernkraftwerk Biblis | ||
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Lage | ||
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Koordinaten | 49° 42′ 36″ N, 8° 24′ 55″ O49.718.4152777777778 | |
Land | Deutschland![]() | |
Daten | ||
Eigentümer | RWE | |
Betreiber | RWE Power | |
Projektbeginn | 1969 | |
Kommerzieller Betrieb | 26. Feb. 1975 | |
Stilllegung | 18. März 2011 | |
Stillgelegte Reaktoren (Brutto) |
2 (2.525 MW) | |
Planung eingestellt (Brutto) |
2 (2.690 MW) | |
Eingespeiste Energie im Jahr 2009 | 2524,3 GWh | |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme | 461.971,262 GWh | |
Website | Seite bei RWE | |
Stand | 31. Dezember 2009 | |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |
Das Kernkraftwerk Biblis lieferte mit zwei nahezu baugleichen Druckwasserreaktoren eine Gesamtleistung von maximal 2525 Megawatt in das Stromnetz. Biblis war damit nach Gundremmingen/Bayern das zweitertragreichste Kernkraftwerk in Deutschland. Zwei weitere zunächst geplante Blöcke, Biblis C und Biblis D, wurden nicht gebaut.
Im Kontext der Nuklearkatastrophe von Fukushima musste die RWE Block A (den älteren der beiden Reaktoren) am Abend des 18. März 2011 aufgrund von möglichen Sicherheitsrisiken für die Bevölkerung herunterfahren. Block B befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in einer planmäßigen Revision, so dass er nicht vom Netz genommen werden musste. RWE folgte damit der Anordnung des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur dreimonatigen Abschaltung der Anlage (sogenanntes Atom-Moratorium).[1] Am 1. April 2011 gab RWE bekannt, dass sie gegen diese Anordnung zur Wahrung der Interessen der Anteilseigner eine Klage vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingereicht habe.[2][3] Es sei von einem entgangenen Gewinn von etwa 1 Million Euro pro Tag Stillstand auszugehen, wofür Entschädigung verlangt werde.[4] Ende Februar 2013 urteilte der Hessische VGH aufgrund der Fortsetzungsfeststellungsklagen, dass die nach der Katastrophe von Fukushima angeordnete dreimonatige Stilllegung rechtswidrig war.[5][6] Das Bundesverwaltungsgericht hat die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerden im Dezember 2013 zurückgewiesen.[7][8] Dem Land Hessen droht nun eine Schadenersatzklage des Betreibers RWE.[9] Von März 2014 bis April 2016 beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag mit der Stilllegung des Kraftwerks.[10][11] Die Bundesnetzagentur gab am 31. August 2011 bekannt, dass das Kraftwerk nicht mehr angefahren werden und auch nicht als „Kaltreserve“ zur Verfügung stehen soll.[12] Der Betreiber RWE gab am 11. Mai 2012 bekannt, dass er einen direkten Abriss einem sicheren Einschluss vorziehe und die Vorbereitungen dafür treffe.[13] Die RWE Power AG beantragte die Stilllegung und den Abbau des Kraftwerks Biblis, Block A und B, mit Schreiben vom 6. August 2012.[14] Am 30. März 2017 wurden die Genehmigungsbescheide zur Stilllegung und zum Abbau von Anlagenteilen der beiden Blöcke erteilt, zum 1. Juni 2017 wurde die Stilllegung der beiden Blöcke vollzogen, im unmittelbaren Anschluss daran begannen die Rückbauarbeiten.[15] Der BUND Hessen hat im Mai 2017 Klage gegen den Genehmigungsbescheid für Block A eingelegt, die Klage ist anhängig.[16] Seit Juni 2019 sind beide Reaktorgebäude kernbrennstofffrei, d. h. alle Brennstäbe sind in Castor-Behälter umgeladen und befinden sich im Standortzwischenlager.[17]
Die Wandstärke des Reaktorgebäudes Biblis A beträgt 60 Zentimeter, der Abluftkamin hat eine Höhe von 101 Metern. Der Reaktordruckbehälter wiegt 425 Tonnen.[18] Biblis A verfügt über zwei 80 Meter hohe zwangsbelüftete Ventilatorkühltürme. Der Basisdurchmesser eines Kühlturms beträgt 68 m. Block A gehört zur 2. Generation der deutschen Druckwasserreaktoren und ist der weltweit erste kommerziell genutzte Kernreaktor der 1.300-MW-Klasse. Er diente als Vorbild für die nachfolgenden Generationen von Druckwasseranlagen, der Vor-Konvoi- und der Konvoi-Generation. Der Reaktorkern von Biblis A besteht aus 193 Brennelementen mit insgesamt rund 45.000 Brennstäben und etwa 100 Tonnen Urandioxid.
Als Vater des Block A gilt Heinrich Mandel.
Die Wandstärke des Reaktorgebäudes Biblis B beträgt 80 Zentimeter, der Abluftkamin hat eine Höhe von 100 Metern. Biblis B verfügt über zwei 80 Meter hohe zwangsbelüftete Ventilatorkühltürme. Der Basisdurchmesser eines Kühlturms beträgt 69 m. In der Regel wurde Block B allerdings ohne Kühltürme betrieben. Lediglich bei hohen Rheinwassertemperaturen oder Niedrigwasser war Kühlturmbetrieb notwendig, um vorgegebene Temperaturgrenzwerte nicht zu überschreiten.
Für den einst geplanten Block C und für Block D waren je ein Naturzug-Nasskühlturm mit einer Höhe von 160 Metern vorgesehen. Ein Schnitt- und Funktionsmodell des Blocks C steht im Informationszentrum. Biblis C war als Konvoi-Anlage geplant. Es wurden bereits die ersten Großkomponenten wie Reaktordruckbehälter und Dampferzeuger gefertigt. Das Reaktordruckgefäß wurde später für Materialversuche verwendet. Der Reaktordeckel dient heute noch Revisionsmannschaften als Übungsobjekt.
Das Kernkraftwerk hat zwei abgeschaltete und zwei verworfene Blöcke:
Reaktorblock[19] | Reaktortyp | KWU-Baulinie | elektrische Leistung | thermische Reaktorleistung | Baubeginn | Netzsynchronisation | Kommerzieller Betrieb | erzeugte Energie seit IBN | Abschaltung durch Moratorium endgültig stillgelegt |
Elektrizitätsmengen ab 1. Jan. 2000 |
zusätzliche Elektrizitätsmengen | |
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netto | brutto | (TWh netto) | ||||||||||
Biblis-A | Druckwasserreaktor | DWR der 2. Generation |
1.167 MW | 1.225 MW | 3.517 MW | 1. Jan. 1970 | 25. Aug. 1974 | 26. Feb. 1975 | 244 TWh | 30. Mai 2011 Atom-Moratorium | 62,00 | 68,617 |
Biblis-B | 1.240 MW | 1.300 MW | 3.733 MW | 1. Feb. 1972 | 25. Apr. 1976 | 31. Jan. 1977 | 260 TWh | 81,46 | 70,663 |
In der Planungsphase des Kraftwerks wurden verschiedene Standorte erwogen, darunter auch das vom heutigen Standort etwa 35 Kilometer entfernte Trebur, jedoch entschied man sich auf Grund der sehr guten Netzanbindung für Biblis. Sowohl eine 220-kV- als auch eine 400-kV-Leitung sind hier verfügbar. Die Blöcke sind sowohl an das Umspannwerk in Pfungstadt als auch an das große Amprion Umspannwerk in Rosengarten angeschlossen.
Kritische Stimmen gegen Biblis gibt es anfangs kaum: Nur ein Bürger wehrt sich mit einer Einwendung gegen den Genehmigungsantrag von Block A. Gegen die Genehmigung des mit 1.300 MW noch stärkeren Blocks B im Jahr 1971 erheben lediglich acht Bürger Einwendungen. Auch die Presse hält sich mit kritischen Artikeln jahrelang zurück, wie eine 1974 vom Bundesforschungsministerium veranlasste Studie belegt: In nur 123 von 20.000 analysierten Zeitungsartikeln aus den Jahren 1970 bis 74 werden Bedenken gegen die Technologie geäußert oder Bürgerinitiativen erwähnt.
Die Baukosten für Biblis A betrugen etwa 800 Mio. DM, für Biblis B etwa eine Mrd. DM. In den Siebzigern waren zwei weitere Blöcke, Block C und D, geplant.[20] Während Biblis D schnell verworfen wurde (Planungsbeginn 1975, Planungsende 1979), endeten die Planungen für Biblis C erst 1995.[21]
Am 16. Juli 1974 wurde in Block A die erste Kettenreaktion eingeleitet. Block A lieferte am 25. August 1974 erstmals Strom ins öffentliche Verbundnetz. Die nukleare Inbetriebnahme (Kritikalität) erfolgte in Block B am 25. März 1976.
2006 wurde ein Standortzwischenlager für abgebrannte Kernbrennelemente mit einem Schwermetallgewicht von 1400 Tonnen in Betrieb genommen (genehmigt bis zum Jahr 2046 – Stand 2020). Es bietet 135 Castorbehältern mit abgebrannten Brennelementen Platz. Es ist 92 m lang 38 m breit und 18 m hoch. Von außen gleicht das Gebäude einer gewöhnlichen Industriehalle. In das Zwischenlager wurden auch sechs Castorbehälter mit radioaktivem Abfall aus Sellafield eingelagert. Die 85 Zentimeter starken Außenwände und das 55 Zentimeter dicke Betondach reduzieren die Strahlung so weit, dass die am Kraftwerkszaun zugelassenen Werte eingehalten werden. 2007 waren etwa 80 Plätze belegt,[22] Anfang 2020 waren – nach Entfernung aller Brennstäbe aus dem Kraftwerk – insgesamt 102 Castoren in das Lager eingestellt,[23] aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Rücknahme ab November 2020 zusätzlich auch 6 Castor-Behälter aus der Wiederaufbereitung,[24] bis zur Umbettung des radioaktiven Mülls in ein End- oder Langzeitlager.[25]
Im sogenannten Atomkonsens haben Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen unter anderem festgelegt, dass alle deutschen Kernkraftwerke noch eine begrenzte Reststrommenge erzeugen dürfen, die einer Regellaufzeit von durchschnittlich 32 Jahren entspricht. Für Biblis A war demnach die endgültige Abschaltung für Ende 2009, die Abschaltung von Biblis B war für 2010 vorgesehen. Wegen der flexiblen Regelung über Reststrommengen ließ sich der Abschalttermin nicht genau vorhersagen, weil jeder Stillstand (siehe auch Vorkommnisse vom 16. Okt. 2006) den Termin verschob. Nachdem die Bundesregierung im Jahr 2010 die Verkürzung der Reaktorlaufzeiten zurückgenommen hatte und den Blöcken Biblis A und Biblis B weitere Strommengen im Umfang von zirka acht Jahren zugebilligt hatte, war die Stilllegung der Blöcke nicht vor 2020 zu erwarten.
Mit Entscheidung der Bundesregierung vom 14. März 2011 wurde jedoch ein dreimonatiges Atom-Moratorium der Laufzeitverlängerung bekannt gegeben, so dass das Kraftwerk am 18. März 2011 heruntergefahren wurde.
Am 29. Mai 2011 entschied die Bundesregierung, dass beide Blöcke des Kernkraftwerkes Biblis nicht wieder ans Netz gehen. Es gab Überlegungen, Block B als „Reservekraftwerk“ zwar heruntergefahren zu lassen, bei Stromengpässen jedoch wieder kurzzeitig hochfahren zu können. RWE war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Am 16. Juni 2011 gab RWE bekannt, dass Biblis B nicht mehr ans Netz gehen wird.[26]
Aufgrund festgestellter sicherheitstechnischer Probleme leitete die hessische Atomaufsicht 1997 ein Verfahren zur Stilllegung von Biblis A ein. Der Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit und Strahlenschutz des Bundesumweltministeriums Gerald Hennenhöfer verhinderte die von der hessischen Landesregierung bereits beschlossene Stilllegung des KKW Biblis jedoch per bundesaufsichtlicher Weisung.[27]
Der Atomkonsens erlaubte eine zustimmungsfreie Übertragung von Strommengen älterer Anlagen auf jüngere Anlagen; eine Übertragung von jüngeren auf ältere Anlagen bedurfte einer Zustimmung von Wirtschaftsministerium, Umweltministerium sowie dem Kanzleramt. Der RWE wurde bei den Verhandlungen über den Atomausstieg für das stillgelegte Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich eine übertragbare Reststrommenge von 107 TWh zugesprochen. Von dieser Strommenge konnten 30 TWh zustimmungsfrei auf Block B übertragen werden. Die RWE AG stellte im September 2006 einen Antrag auf Strommengenübertragung von 30 TWh vom (jüngeren) Kraftwerk Mülheim-Kärlich auf das (ältere) Kraftwerk Biblis A. Im Falle der Zustimmung zu diesem Antrag hätte RWE das Kraftwerk Biblis A bis zur zweiten Jahreshälfte 2011[28] betreiben und dann – so die weitere Überlegung von RWE – gemeinsam mit Biblis B abschalten können. Unter Berücksichtigung des Stillstands wegen des Austauschs von Hinterschnittankern hätte sich der genannte Abschalttermin in das Jahr 2013 verschoben.
Dieser von RWE eingebrachte Hauptantrag für Block A wurde vom Bundesumweltministerium im März 2007 vorläufig und im Mai 2007 endgültig abgelehnt. Das Umweltministerium vertrat hier die Rechtsauffassung, dass eine Strommengenübertragung vom Kraftwerk Mülheim-Kärlich auf Biblis A nach dem Atomgesetz nicht möglich sei. Den ebenfalls gestellten Hilfsantrag zur Übertragung von Strommengen vom Kernkraftwerk Emsland auf Biblis A lehnte das Umweltministerium am 7. April 2008 ab. Als Hauptgrund wurde genannt, dass Biblis A über weniger Sicherheitsreserven als das modernere Kernkraftwerk Emsland verfügt habe.[29]
Gegen die Ablehnung des Hauptantrags und auch des Nebenantrags reichte RWE Power im April 2007 Klage beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel ein, die abgewiesen wurde.[30] Auch die Revision von RWE vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde mit Beschluss vom 26. März 2009 zurückgewiesen;[31] die Ablehnung längerer Laufzeiten gilt auch für das Kernkraftwerk Brunsbüttel.
Am 21. Januar 2010 fanden erstmals nach dem Regierungswechsel 2009 Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgern statt. Um einen vorläufigen Weiterbetrieb bis zur Entscheidung der Bundesregierung sicherzustellen, kaufte RWE im Mai 2010 ein Stromkontingent von 4,8 TWh vom bereits stillgelegten Kernkraftwerk Stade des Betreibers E.ON.[32] Je nach Betriebsweise konnte damit das Stromkontingent für Biblis A bis in das Jahr 2012 reichen.
Eine endgültige Entscheidung über den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wurde im Herbst 2010 getroffen. Beide Blöcke erhielten eine zusätzlich zu der im Atomkonsens von 2002 festgelegten Erzeugungsmenge ein zusätzliches Stromkontingent, welches einer (rechnerischen) zusätzlichen Laufzeit von etwa 8 Jahren entsprach. Die zusätzliche Strommenge für Biblis A betrug 68,617 TWh (netto) und lag damit höher als die im Atomkonsens von 2002 festgelegte Reststrommenge von 62,000 TWh (netto).
Im November 2011 wurden zwei ungeeignete Sicherungen im Block Biblis A entdeckt und ausgetauscht. Weder die Funktionsfähigkeit noch das Personal wurden hiervon beeinträchtigt. Die Betreiberfirma RWE führte eine Kontrolle an sämtlichen, also mehreren tausend Sicherungen durch. Da nicht herauszufinden war, warum diese Sicherungen verwendet wurden, wurden auch Untersuchungen der Bauteile in anderen Atomkraftwerken veranlasst.[33]
Am 9. September 2005 reichte die IPPNW (Ärzte zur Verhütung des Nuklearkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung) bei der hessischen Atomaufsicht einen Antrag zur Stilllegung des Kernkraftwerks Biblis B ein.[34] Da diesem Antrag nicht stattgegeben wurde, reichte die IPPNW am 12. Dezember 2008 beim hessischen Verwaltungsgerichtshof Klage ein. Demnach habe der Kraftwerksblock Biblis B mindestens 210 grundlegende und schwerwiegende Sicherheitsmängel aufgewiesen.[35] Die IPPNW nahm den Antrag auf Rücknahme oder Widerruf der Betriebsgenehmigung mit Schreiben vom 17. März 2008 zurück.
Auf Biblis B durfte RWE laut Atomkonsens ohne Genehmigung eine Reststrommenge bis zu 21,45 TWh von Mülheim-Kärlich übertragen, was laut einer Abschätzung vom Juni 2007 eine Laufzeitverlängerung für Biblis B bis 2013 bedeutete. Im August 2010 machte RWE von dieser Möglichkeit Gebrauch und ließ 8,1 TWh auf Biblis B übertragen.[36]
Die Reaktoren befanden sich bis zur Entscheidung zur Stilllegung und zum Rückbau im Jahr 2017 in der Nachbetriebsphase. In diesem Zeitraum prüfte RWE die Option einer Versiegelung (Sicherer Einschluss), was einen wesentlich späteren Rückbau zur Folge gehabt hätte.[37] Am 1. Juni 2017 gab RWE Power AG bekannt, die Genehmigung für den Abbau des Kernkraftwerks in Anspruch genommen zu haben. Damit und mit der Rückbaugenehmigung am 30. März 2017 hat die Stilllegungsphase offiziell begonnen. Die Rückbauarbeiten sollen 15 Jahre dauern. Im Juni 2019 waren alle Brennstäbe aus den Reaktoren in Castor-Behälter umgeladen und damit 99,7 % der Radioaktivität aus Betriebszeiten aus den Gebäuden entfernt.[17]
Im Mai 2017 legte der BUND Hessen Klage gegen den Genehmigungsbescheid für Block A ein. Der Umweltverband kritisierte mangelnde Transparenz und forderte den höchstmöglichen Schutz der Bevölkerung vor zusätzlicher radioaktiver Belastung.[16] Konkret verlangte der Verband, bei der Genehmigung weiterer Abbauschritte Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen sowie das Freimessen von radioaktivem Abrissmaterial zu unterbinden. Eine Gerichtsverhandlung hat seitdem nicht stattgefunden. Eine zweite Abbaugenehmigung für die radioaktiv stärker belasteten Bauteile wie Reaktordruckbehälter und den biologischen Schild wurde 2020 erteilt; eine Umweltverträglichkeitsprüfung wurde dabei nicht mehr durchgeführt.[38]
Da es aufgrund der Abschaltung des Kernkraftwerks Biblis zu vermehrten Problemen bei der Spannungshaltung kommt, wurde durch den Übertragungsnetzbetreiber Amprion und den Kraftwerksbetreiber RWE Power entschieden, den Synchrongenerator des Blocks A für Phasenschieberbetrieb umzurüsten, um den benötigten Blindstrom zu erzeugen. Die Umrüstung erfolgte durch Siemens Energy von Oktober 2011 bis Februar 2012.[39][40]
Südlich des Kernkraftwerks plant RWE Generation auf einer Fläche von 3 ha die Errichtung und den Betrieb eines neuen Gasturbinenkraftwerks.[41] Es soll größtmöglich auf bereits versiegelter Fläche des bestehenden Fremdfirmenparkplatzes entstehen. Im November 2020 hat Amprion der RWE und dem Kraftwerk einen Zuschlag als besonderes netztechnisches Betriebsmittel nach § 11 Abs. 3 EnWG erteilt.[42] Das Kraftwerk wird eine elektrische Leistung von 300 Megawatt bereitstellen und soll bis Oktober 2022 den Betrieb aufnehmen. Das Gasturbinenkraftwerk dient der Entlastung des Stromnetzes und soll maximal 1.500 Stunden pro Jahr betrieben werden. Eine Teilnahme am Strommarkt ist gesetzlich ausgeschlossen. Der Anlagenaufbau erfolgt modular aus elf identischen Gasturbineneinheiten mit einer maximalen elektrischen Leistung von 427,9 MW (11 × 38,9 MWel). Das erforderliche Erdgas stammt aus der Mittel-Europäischen Gasleitung (Megal). Für die Anbindung ist eine etwa 1400 Meter lange Gasanbindungsleitung mit einem Rohrdurchmesser von DN 500 entlang der bestehenden Zufahrtsstraße zum Kernkraftwerk Biblis vorgesehen, sowie die Errichtung einer Gasübergabestation. Für den Anschluss an das Übertragungsnetz wird die 380-kV-Leitung Biblis-Rosengarten der Amprion genutzt.[43]
Die Sicherheitseinrichtungen der beiden vor mehr als 30 Jahren errichteten Kraftwerke wurden nach Angaben des Betreibers[44] ständig überwacht und verbessert. Dass dadurch ein, wie im Atomgesetz gefordert, dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprechender Schutz vor Schäden erreicht wurde, kontrollierten Aufsichtsbehörden und deren Gutachter regelmäßig. Was die Materialermüdung anbelangt, habe man durch regelmäßige Prüfungen festgestellt, dass beide Blöcke 60 Jahre lang problemlos hätten betrieben werden können. Die IAEO führt die Anlagen Biblis A und B als Referenz für gelungene sicherheitstechnische Nachrüstungen älterer Kernkraftwerke auf.
Dieser Darstellung widerspricht eine Studie von Greenpeace deutlich.[45] Der Block A des Kraftwerks wurde zu einer Zeit konzipiert und errichtet, zu der keine Schutzmaßnahmen gegen den Absturz eines Militärflugzeugs erfolgten.[46]
Kritisiert wird weiterhin, dass eine separate Notstandswarte außerhalb des Reaktorgebäudes, von der aus ein Reaktor auch im Falle von schweren Störungen im Reaktorgebäude gesteuert werden kann, nicht vorhanden ist. Da die Blöcke fast baugleich sind und zudem unterirdisch miteinander verbunden sind, ist es im Notstandsfall möglich, durch eine im jeweiligen Nachbarblock angesiedelte Notstandswarte den Nachbarblock zu betreiben und im Notstandsfall geregelt abzufahren und die Nachwärmeabfuhr sicherzustellen. Seitens der Kritiker wird jedoch bezweifelt, dass dies bei einem Störfall noch möglich sei.[47]
Bei einem „Notstand“ handelt es sich allerdings nicht um einen Störfall im Sinne eines Primärlecks, vielmehr ist der gesamte Primärkreislauf einschließlich der Dampferzeuger bis zu den Abblaseregelventilen (und zugehörigen Sicherheitsventilen) vollkommen funktionsfähig. Der Bereich des so genannten Hilfsanlagengebäudes (hier werden beispielsweise Abwässer aufbereitet, Lüftungssysteme sind dort angesiedelt usw.), das Maschinenhaus, Schaltanlagengebäude, Warte und Versorgungstrakt sind dagegen nicht mehr verfügbar. Es ist daher in einem solchen Falle notwendig, die Bespeisung der Dampferzeuger mit Wasser und somit das Abkühlen und Aufborieren des Primärkreises von einer alternativen Warte aus zu regeln. Hier kann – und das ist in Biblis einzigartig – auf die große Artverwandtschaft der Blöcke zurückgegriffen werden. Bei allen anderen Standorten in Deutschland gibt es keine zwei gleichen Blöcke (mit Ausnahme von Gundremmingen, wo es sich allerdings um Siedewasseranlagen handelt), so dass man bei der Errichtung der dortigen Anlagen auf eine eigene Notstandwarte angewiesen war.
Am 15. Juli 2009 wurde bekannt, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach Bekanntgabe des Jahresberichts des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) und des Zwischenfalls im Kernkraftwerk Krümmel von dem Betreiber RWE vor dem Wiederanfahren nach der seit Januar 2009 stattfindenden Revision eine Nachrüstung von engmaschigeren Sumpfsieben, sowie einer Sumpfsiebrückspülung forderte. Im Kühlmittelverluststörfall wird unterstellt, dass Isolierstoffe sich im Gebäudesumpf ansammeln und diese könnten dann die Sumpfsiebe, über die die Nachkühlung sichergestellt wird, verstopfen. Dank der Sumpfsiebrückspülung kann dies vermieden werden und ein sicherer Nachkühlbetrieb ist somit gewährleistet.
Immer wieder wurde von diversen kernkraftkritischen Organisationen bemängelt, dass an mindestens 200 sicherheitsrelevanten Rohrleitungen sogenannte Stempelfelder nicht vorhanden gewesen wären. Der Betreiber, sowie der TÜV hatten dies jedoch widerlegt und in diversen Gutachten wurde bestätigt, dass zu allen sicherheitstechnisch signifikanten Rohrleitungen die vollständigen Dokumentationen nach den Anforderungen des Atomgesetzes vorlagen.
Betriebsbedingt leiten Kernkraftwerke über Abluft und Abwasser geringe Mengen radioaktiver Stoffe ab (Emission). Das Atomgesetz verpflichtet die Aufsichtsbehörden unter anderem dazu, den Betrieb hinsichtlich der zugelassenen Grenzwerte zu überwachen. Eine entsprechende Übersicht auch für das KWB findet sich auf den Seiten des hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.[48]
Insgesamt gab es seit Inbetriebnahme 437 (Biblis A) plus 440 (Biblis B) meldepflichtige Ereignisse (Stand: 31. Dezember 2013).[49]
Die meisten dieser meldepflichtigen Ereignisse sind jedoch der Meldekategorie N zuzuordnen, nach der INES-Skala 0, das heißt, es handelte sich hierbei um Ereignisse ohne oder mit geringer sicherheitstechnischer Bedeutung.
Da die folgenden Vorkommnisse alle aus einer Quelle stammen und diese nicht umfassend berichtet hat, können die folgenden Vorkommnisse nicht eindeutig einem Block zugewiesen werden.
Im März 2014 wurde der Untersuchungsausschuss 19/1[10][70][71] im Hessischen Landtag eingesetzt, um zu klären, was bei der vorläufigen Stilllegung im März 2011 geschah und wer dafür verantwortlich war. Am 21. April 2016 wurde der Abschlussbericht veröffentlicht.[11]
Das Kernkraftwerk Biblis unterhält mit den Kernkraftwerken Balakowo (Russland), Saporischschja und Riwne (beide Ukraine) Partnerschaften zum Erfahrungsaustausch.[72][73]
Bis Mitte der 1990er Jahre wurde für das Kernkraftwerk Biblis kein offizielles Kürzel verwendet, wie es bei den meisten anderen Kernkraftwerken üblich ist. Das Kürzel KKB war bereits für Kernkraftwerk Brunsbüttel vergeben und KWB für das geplante Kernkraftwerk im hessischen Borken reserviert. Erst nach der endgültigen Aufgabe des Projekts in Borken im Jahre 1995 wurde das Kürzel für das Kernkraftwerk Biblis verwendet.
In dem 1987 erschienenen Roman Die Wolke von Schriftstellerin Gudrun Pausewang, der von einem fiktiven Reaktorunfall in Deutschland erzählt, erfährt das Kernkraftwerk in Biblis im Vorwort eine Erwähnung.
In Betrieb: | ![]() | |
Außer Betrieb: |
Biblis | Brokdorf | Brunsbüttel | Grafenrheinfeld | Greifswald | Grohnde | Gundremmingen | THTR-300 Hamm-Uentrop | Isar 1 | AVR Jülich | KNK Karlsruhe | MZFR Karlsruhe | Krümmel | Lingen | Mülheim-Kärlich | Neckarwestheim 1 | Obrigheim | Philippsburg | Rheinsberg | Stade | Unterweser | Würgassen | |
Abgebaut: | ||
Nicht in Betrieb genommen: |